Radfahrer im Fokus: Simon Infanger

Simon InfangerAllgemein

Vom staumeidenden Velopendler zum begeisterten Tourenfahrer. Wie eine Polizeikontrolle am Lukmanierpass einem Luzerner Tür und Tor fürs Fahrrad öffnete. Ein paar Fragen an Simon Infanger

Warum fährst du Velo?

Eigentlich hat alles so angefangen, dass ich es blöd fand, während der Kanti immer im Stau zu stehen. Dann habe ich gemerkt, dass es ziemlich viel Spass macht und für mich Lebensqualität bedeutet, den Wind im Gesicht zu spüren. Für mich ist ein Velo Freiheit pur. Ich mag es unterwegs neue – wenn auch flüchtige – Bekanntschaften zu machen, kurz zusammen zu lachen oder zusammen den schönen Regenbogen zu bestaunen – und dann gemeinsam in die Regenwand reinfahren.

Dein lustigstes Erlebnis auf dem Fahrrad?

Auf meinen 80’000 Kilometern auf dem Velo habe ich einige erlebt, daher picke ich mal drei raus: Als ich von Luzern ans Nordkap fuhr, war ich irgendwo in Norwegen. Die Strecke war sehr wellig und daher anstrengend, ich war schon etwa 20 Tage unterwegs und langsam müde. Zudem hatte es Gegenwind. Ich war irgendwo im Nirgendwo und fluchte wie ein Rohrspatz vor mich hin. Plötzlich sah ich jemanden am Strassenrand sehen, der mich komplett entgeistert anschaute. Ich musste sofort laut lachen, da ich mir die Situation aus seiner Perspektive vorgestellt habe: Da ist man gemütlich irgendwo am Polarmeer und hat seine Ruhe und dann kommt in dieser Idylle ein Radfahrer vorbei und flucht vor sich hin.

Am Transcontinental Race ging es darum, möglichst schnell quer durch Europa zu fahren. Die Uhr ist non-stop gelaufen, daher habe ich versucht möglichst viel Zeit auf dem Rad zu verbringen und Essen, Schlafen und Einkaufen auf ein Minimum zu beschränken. Irgendwo in Italien am späten Abend fuhr ich durch eine idyllische Ortschaft, mein Bauch knurrte. Ich ging in ein Restaurant, welches an einem Fluss lag, Päärchen hockten an Tischen mit Kerzen. Ich war komplett verschwitzt und habe gestunken, war schon etwa 2’000 km non-stop unterwegs. Ich ging zum Tresen und fragte, was es am schnellsten zu essen gibt. Der Pizzaiolo erklärte mir ganz stolz seine Menükarte, ich sagte ihm, ich möchte einfach das Essen, was man am schnellsten bekommt. Wenige Minuten später hatte ich eine Pizza Margherita auf dem Tisch, der Pizzaiolo meinte abschätzig «Pizza subito». Die Pizza kam direkt aus dem Holzofen und war sehr heiss. Da die Zeit rar war, habe ich sie nicht geschnitten sondern gerollt, ein Stück in den Mund genommen und mit Cola sie direkt im Mund heruntergekühlt. Wenige Minuten später stand ich vor dem Pizzaiolo, um zu bezahlen. Ich habe in meinem Leben noch nie so einen verachtenden Blick gesehen wie der dieses Pizzaiolos, welcher sich bestimmt heute noch fragt, was für eine kulinarische Wildsau ich war.

Vor ein paar Jahren als ich noch richtig fit war, bin ich ab und zu nach der Arbeit um den Zugersee gefahren. Zu dieser Zeit war ich wirklich fit. Von Zug nach Arth ist die Strecke patscheben und ideal für das Zeitfahrrad. Ich kann mich an einen Tag erinnern, dass mich beim Ortsausgang von Zug ein Auto überholt hat, an dem Tag fühlten sich meine Beine wirklich gut und so war es mein Ziel, das Auto nicht aus den Augen zu verlieren. Von Zug nach Arth hatte ich einen Schnitt von 48 km/h. Ich fand es ziemlich lustig, den verwunderten Blick des Autofahrers an der Kreuzung an Arth zu sehen als ich ihm zugewunken und ihn wieder überholt habe.

Lieber MTB oder Rennrad?

Als ich in Engelberg gewohnt habe, bin sehr lange Downhill Bike gefahren. Später bin ich nach Luzern gezogen und bin auf ein Urban Bike umgestiegen – ehrlich gesagt war für mich der Aufwand zu gross in die Berge zu gehen, wenn man sich jahrelang gewohnt war, die Berge direkt vor der Haustüre zu haben. Während dem Studium war ich oft mit dem Motorrad unterwegs. Als ich dann an einem Dienstag morgen auf dem menschenleeren Lukmanier-Pass in eine Polizeikontrolle geraten bin, habe ich danach einiges mehr Zeit wieder ohne Motorkraft verbracht – und so die Liebe zum Rennrad entdeckt. Später bin ich mal mit dem Velo von Luzern zur Arbeit in Sursee gefahren, dann mal an einem Wochenende nach Paris und ein paar Jahre später am Transcontinental Race non-stop 4’346 km von Belgien nach Griechenland in 15 Tagen. Hat sich alles irgendwie evolutionär entwickelt und so durfte ich bis heute über 20 Länder mit dem Velo befahren. Inzwischen bin ich nur noch in der Zentralschweiz unterwegs – dafür mit Kinderanhänger.

Lieber ein E-Bike oder per Muskelkraft?

Ich mag es auch mit Kinderanhänger stets per Muskelkraft unterwegs zu sein. Ein wenig Schweiss hat mir noch nie geschadet. Wenn aber ein E-Bike ein Auto ersetzen kann, finde ich es gut. Aber allgemein störe ich mich aber ein wenig dem Trend der ganzen Gesellschaft zur Bequemlichkeit, welche sich über alle Bereiche zieht – so auch beim E-Bike. Da muss ich immer an die ultra-bequemen Menschen in WALL·E denken.

Warum bist du Mitglied von Pro Velo?

Ich finde Pro Velo eine gute Sache, damit die Interessen der Radfahrer vertreten werden. Gerade im so umkämpften Gebiet wie der Mobilität auf engem Raum finde ich es wichtig, dass auch die Schwachen im Verkehr eine Stimme haben.

Angenommen du wärst Stapi. Was würdest du in der Stadt Luzern ändern?

Ich finde vieles sehr gut, was aktuell für eine moderne Mobilität gemacht wird und damit auch Radfahrer profitieren. Klar könnte man z.B. Radwege so umbauen, dass Radfahrer nicht zwischen fahrenden und/oder parkierten Autos fahren müssen, aber ich glaube der grössere Hebel ist in der Zugänglichkeit, damit auch mehr Personen das Fahrrad nutzen: Sicherere Radwege, Förderung von pendlerfreundlichen Arbeitgeber mit Duschen und diebstahlsichere Veloparkplätze und durchgehende Radnetze, welche auch für längere Wochenendausfahrten genutzt werden können. Und vielleicht würde ich mein Buch «Wie ich aus Versehen Extremsportler wurde» in der Schule zur Pflichtlektüre machen 🙂

Was möchtest du auf dem Fahrrad noch erleben?

Persönlich liebe ich es mit dem Fahrrad zu reisen, da man so an den Puls anderer Kulturen rankommt und ohne Hemmschwellen mit anderen Personen sprechen kann. So würde ich mich freuen, wenn ich noch das eine oder andere neue Land beradeln kann. Momentan liegt aber mein Fokus darauf meine Liebe fürs Fahrrad meinen Kindern weiterzugeben, damit sie (hoffentlich) auch selber entdecken, was für ein wundervolles Gerät das Velo ist.

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